Am 24. November 2024 stimmt die Schweiz über den geplanten Autobahnausbau ab – ein Projekt, das mindestens 4,9 bis 5,8 Milliarden Franken kostet und weitreichende Konsequenzen für unsere Landschaft, Gesellschaft und Umwelt haben würde. Als Co-Präsidentin der Grünen Freien Liste Stadt Bern und des Verkehrs-Clubs der Schweiz (VCS) Kanton Bern möchte ich darlegen, warum ich diesen Ausbau kritisch sehe und welche alternativen Wege für eine zukunftsfähige Mobilität in der Schweiz möglich wären.
Hohe Kosten, wenig Nutzen für die Landbevölkerung
Der geplante Ausbau wird über den Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF) finanziert, der aus Abgaben wie der Mineralölsteuer und der Autobahnvignette gespeist wird. Damit tragen auch Menschen auf dem Land zur Finanzierung dieses milliardenschweren Projekts bei. Allerdings bleibt der Nutzen für die Landbevölkerung fraglich. Während die Städte durch den Ausbau eine vermeintliche Entlastung erfahren sollen, bleibt die ländliche Infrastruktur unverändert schlecht erschlossen.
Im Kanton Bern gehen für den Ausbau zudem wertvolle Landflächen in ländlichen Regionen verloren, die kaum kompensiert werden können. Die Landbevölkerung verliert folglich Land und finanziert obenauf eine Verkehrsplanung mit, die vor allem den städtischen Zentren zugute kommen soll, während die ländlichen Regionen zurückbleiben.
Mehr Verkehr und Unfälle für die Städte
Ein Ja zum Ausbau bedeutet keine nachhaltige Verkehrsentlastung. Im Gegenteil: Mehr Strassen ziehen wissenschaftlichen Studien zufolge mehr Verkehr an – ein Phänomen, das als induzierter Verkehr bekannt ist. Die Prognosen sind ernüchternd: Nach einer langen Bauphase, die voraussichtlich von 2030 bis 2040 andauert, erwarten Experten ab 2040 erneut zunehmenden Verkehr und mehr Staus. Besonders die städtischen Gebiete werden belastet, denn zusätzlicher Verkehr bedeutet mehr Unfälle, Lärm und Luftverschmutzung in den Wohnquartieren. Der Ausbau löst somit keine Probleme, sondern schiebt sie hinaus und verschärft sie.
Umweltschäden und Emissionen durch den Bau
Neben den sozialen Folgen sind die Umweltauswirkungen alarmierend. Der Ausbau wird zu zusätzlichen Bauemissionen, erhöhtem Reifenabrieb, mehr Abgasen und Lärm führen. Dies widerspricht klar den Klimazielen der Schweiz und des Kantons Bern. Der Ausbau steht entsprechend im Sinne einer kurzsichtigen und veralteten Verkehrspolitik, die dem Ziel einer nachhaltigen, umweltfreundlichen Schweiz nicht gerecht wird.
Gesundheitsbelastungen und sinkende Lebensqualität
Die sozialen und gesundheitlichen Auswirkungen von mehr Verkehr sollten nicht unterschätzt werden. Studien zeigen, dass Menschen in verkehrsreichen Gebieten häufiger unter Atemwegserkrankungen, Schlafstörungen und Stress leiden. Mehr Verkehr bedeutet damit weniger Lebensqualität und ein höheres gesundheitliches Risiko für die Bevölkerung. Städtische Wohnquartiere und Agglomerationen, sind besonders betroffen, da jedes Auto auf der Autobahn in einem Quartier oder Dorf startet und endet.
Wer tatsächlich profitiert
Die wirklichen Profiteure dieses Projekts sind die Bau- und Zementlobby, die Mineralölindustrie und die Autolobby – mächtige Interessengruppen, die bereits jetzt von staatlichen Investitionen in die Autobahnnetze profitieren. Demokratiepolitisch ist es zudem äusserst problematisch, dass das Departement vom Bundesrat Röschti in einem Abstimmungskampf öffentliche Gelder für externe Werbekampagnen eingesetzt hat, die einseitig die Vorteile des Projekts betonen, während kritische Perspektiven kaum Gehör finden. Darum ist die Frage mehr als berechtigt, ob hier wirklich das Gemeinwohl oder private Interessen im Vordergrund stehen.
Gibt es Altnativen?
Anstatt Milliarden in den Ausbau des Autobahnnetzes zu stecken, sollte die Schweiz in zukunftsfähige Mobilitätslösungen investieren. Die bestehende Bahn- und ÖV-Infrastruktur ist bereits hervorragend und könnte gezielt erweitert werden. Entlang der Hauptverkehrsadern liesse sich das Netz verdichten, um den ländlichen Raum besser anzubinden und eine echte Alternative zum privaten Auto zu schaffen. Digitale Verkehrssteuerungen und smarte Mobilitätskonzepte wie Carsharing sollten ausgebaut und ein Teil der 4,9 Milliarden Franken in die Forschung nachhaltiger Mobilitätstechnologien und -systeme fliessen.
Es braucht zudem ein Umdenken in der Arbeitswelt: Flexible Arbeitszeiten und Homeoffice-Modelle könnten Verkehrsspitzen zu Stosszeiten deutlich reduzieren. Parallel dazu sollten Städte und Agglomerationen in bezahlbaren Wohnraum investieren, um die Pendelwege zu verkürzen und die Lebensqualität zu steigern.
Langfristige Investitionen in umweltfreundlichen Verkehr würden wirtschaftliche Vorteile durch niedrigere Gesundheitskosten und geringere Umweltschäden bringen. Eine verbesserte Anbindung des ländlichen Raums an die urbanen Zentren würde zudem Chancengleichheit und soziale Kohäsion fördern – all dies, ohne zusätzliche Flächen zu verbrauchen oder die Umwelt unnötig zu belasten.
Eine echte und langfristige Entlastung schaffen wir nicht mit einem Autobahnausbau, sondern indem wir in eine intelligente Verkehrssteuerung und innovative Mobilitätsangebote investieren. Ein „Ja“ zum Ausbau wäre eine verpasste Chance, das Verkehrssystem der Zukunft intelligent und klimafreundlich zu gestalten.
Fazit
Der geplante Autobahnausbau führt uns in eine Richtung, die ökologische und soziale Kosten ignoriert und langfristige Verkehrsprobleme nur verschiebt. Es ist Zeit für ein Umdenken in der Verkehrspolitik – hin zu einer nachhaltigen, fairen und klimafreundlichen Mobilität, die allen Menschen in der Schweiz zugutekommt, ohne unsere Umwelt und Lebensqualität zu gefährden.