Weitergabe Schweizer Waffen an die Ukraine

Warum die Grünen Schweiz gegen Waffenlieferungen an die Ukraine sind. Und warum ich dafür bin.

Die Grünen Schweiz sind gegen die Weitergabe von Schweizer Waffen an die Ukraine. Das wichtigste Argument dabei ist, dass die Schweiz andere, wirksamere Hebel hätte, die sie nutzen müsste. Das stimmt zwar, aber leider nur theoretisch.

 

Die Schweiz als Drehscheibe für russisches Geld

80% des russischen Rohstoffhandels wurde 2021 in der Schweiz abgewickelt – unreguliert und ohne jegliche Transparenz. Laut Seco, zitiert in der Republik, hat die offizielle Schweiz ferner keine Daten zum Transithandel der Rohstoffhändler. Sprich, das Seco weiss nicht, ob CH-Handelsfirmen immer noch mir russischem Erdöl und Kohle handeln; inwiefern Schweizer Sanktionen eingehalten werden, wie gross der CH Rohstoffmarkt mit Russland ist, wer wie viel profitiert (siehe auch Artikel im Bund.).

 

Das ist eine unhaltbare Situation, denn der russische Rohstoffexport finanziert den russischen Angriffskrieg. Stellt die Schweiz ihren Handelsplatz Russland zur Verfügung, finanziert sie den russischen Angriffskrieg mit. Und ähnlich sieht es bei den Oligarchengeldern aus. Die Schweiz hat bisher 7.5 Milliarden Franken russisches Geld eingefroren. Die Bankiervereinigung schätzt aber, dass ca. 150 Milliarden Franken in der Schweiz liegen. Einfach Geld, Immobilien, Schiffe und weitere Vermögenswerte nicht eingerechnet. 150 Milliarden Franken!

 

Mit dem Rohstoffhandel, dem Finanzplatz und den Oligarchengeldern hätten wir also zwei wichtige und per Bleistift umsetzbare Hebel, um den Krieg in der Ukraine zu bremsen: Den Geldhahn abdrehen. Warum tun wir es trotzdem nicht?!

 

Breite Betroffenheit ermöglicht Reformen 

Hiermit kommen wir zum leidigen Wort «theoretisch». Denn theoretisch könnten wir durchaus einen direkten Einfluss auf den Kriegsverlauf in der Ukraine nehmen. Praktisch wird die Schweiz aber weder in absehbarer noch in nützlicher Frist eingreifen können.

 

Unsere «Hebel» funktionieren nur mit gnadenloser Transparenz im Rohstoffhandel und im Finanzsektor. An Transparenz aber haben zu viele in der Schweiz kein Interesse. Die CH verdient, profitiert und mehrt ihren Wohlstand, sobald sie die Augen schliesst – im Schlaf also, denn wach würde unsere humanitäre Tradition dieses Treiben nicht dulden. (Siehe auch spannendes Interview mit Thomas Picketty)

 

An dieser Stelle kommen die Grünen Schweiz ins Spiel, denn der völkerrechtstwidrige Einmarsch in die Ukraine hat die Schweizer Bevölkerung wachgerüttelt. Und zwar von ganz links bis weit rechts. Das Entsetzen und die Betroffenheit sind gross, der Wunsch «Etwas» zu tun auch. Dieses Momentum möchten die Grünen nutzen und sagen, was getan werden müsste: Den Geldhahn abdrehen. Und zwar richtig und nicht mit den aktuellen Pseudosanktionen.

 

Das ist gut und ich stehe zu 100% hinter dieser Forderung.

 

Hier gilt es zu unterstreichen, dass Putin nicht der erste Despot und totalitärer Autokrat ist, der vom CH Schlaf profitiert. Die Forderung nach Transparenz und Regulierung ist entsprechend alt. Aber dieses Mal scheint sie so greifbar wie noch nie. Und diese Chance wollen sich die Grünen nicht mit 12000 Schuss Munition verbauen.

 

Womit wir zu meinem Dilemma kommen. 

Theoretisch kann ich die Argumentation der Grünen nachvollziehen. Praktisch bin ich Osteuropa Historikerin und 1992 aus Bosnien in die Schweiz «umgezogen». Meine Familie wurde weitestgehend verschont, gleichwohl weiss ich, was Krieg ist. Die Strategie der Grünen Schweiz folgt einer an sich richtigen und klaren Logik: Kein Geld, keine Waffen, kein Krieg. Aber diese Sicht ist leider verkürzt. Denn der umsetzbare Zeithorizont fehlt. Bis die Schweiz transparent und reguliert ist, gibt es wohl keine Ukraine mehr.

 

Auch der Einwand der Neutralität ist für mich im Fall eines Völkerrechtsbruchs nicht ausreichend: Denn ohne Völkerrecht keine Neutralität. Und damit kommen wir zu einem grundlegenden Problem eines neutralen Staates mit einer florierenden Rüstungsindustrie. Persönlich wäre ich für eine harte Neutralität. Die CH sollte grundsätzlich keine Waffen ins Ausland verkaufen – weder an DE noch sonst irgendwohin. Produziert und verkauft die Schweiz aber für den Export, ist bei Völkerrechtsverletzungen ein Verbot der Weitergabe heuchlerisch.

 

12000 Schuss sind 12000 Schuss. Das ist nicht viel. Aber es ist auch nicht nichts. Ich sehe es ganz im Sinne von Habeck – die Waffen sind nicht gegen Russland, sondern für die Selbstverteidigung der Ukraine. Das ist eine akute Situation, die akute Hilfe braucht. Selbstverständlich müssen wir gleichzeitig an der Transparenz der Finanzmärkte, der Regulierung des Rohstoffhandels und der Übergewinnsteuer weiterarbeiten. Es braucht Friedensförderung und humanitäre Hilfe. Klar. Aber eben nicht nur.

 

Mit der Weitergabe von Waffen Zwecks Selbstverteidigung bei Völkerrechtsbrüchen verbauen wir uns auch keine etwaige Position als Schutzmacht. Was wir heute tun, nämlich fast nichts, das disqualifiziert uns bei den Ukrainern und hinterlässt in Russland nicht mehr als ein müdes Lächeln.

 

Und noch zu guter Letzt

  • «Verhandlungen» mit Putin werden meiner Meinung nach in etwa so fruchtbar sein, wie die Verhandlungen damals mit Milošević. 

  • Russland wird den Krieg nicht beenden.
  • Die Ukraine kann nicht aufhören, sich zu verteidigen.
  • Die CH sollte tun, was sie kann und könnte.

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